Ein rauer Wind peitscht mit stürmischer Inbrunst gegen die vor uns liegenden Bergspitze, der Schnee wirbelt um uns herum und stürzt in Minilawinen den Hang hinunter. Lasse Kjus’ Stimme ertönt durch die heulenden Windböen: “Nur noch ein bisschen weiter.” Wir befinden uns hoch oben in den norwegischen Sunnmøre-Alpen und überqueren im Schneesturm den letzten Grat vor dem Gipfel. Freudige Aufregung macht sich in der Gruppe breit.
Wir starteten unsere Tour in Ålesund, wo Lasse unsere Gruppe mit seinem Wasserflugzeug, einer 35-jährigen Cessna 206, abholt. Mit dabei sind Kjus Teamrider Stefan Häusl und Lucas Swieykowski. Die Temperatur liegt bei milden 12 Grad, es sieht bedrohlich nach Regen aus und Lasse heisst uns kurz willkommen an Bord. Mit dieser Maschine bin ich noch nie abgestürzt
, witzelt er. Wir heben ab und folgen den Fjorden weit ins Inland Richtung Hjørundfjorden.
Die Reise mit dem Wasserflugzeug bietet eine ungetrübte Sicht auf die Landschaft Norwegens – fast zu schön, um wahr zu sein. Lasse weist auf einen zerklüfteten Gipfel in einiger Entfernung. Schaut mal
, sagt er, während er kurz seine Hand vom Steuerknüppel hebt, dort gehen wir heute noch hin.
Lucas und Stefan lächeln einander freudig an.
Wir landen gleichmässig gleitend auf dem spiegelglatten Wasser des Hjørundfjorden und binden die Cessna am Steg fest. Aus dem Heck des Wasserflugzeugs nimmt Lasse die Skibekleidung der neuen Saison, die wir auf unserem eintägigen Bergabenteuer testen. Wir sind perfekt ausgerüstet in KJUS. Wir streifen schnell Jacken und Hosen über, schnüren die Schuhe, füllen die Flaschen und steuern entschlossen auf die Berge zu.
Der Schnee liegt auf rund 600 Metern
, sagt Lasse, das heisst, wir müssen erst etwa eine Stunde wandern.
Als wir endlich die Felle auf die Tourenski montieren, ist die Wolkendecke aufgebrochen und die Strahlen der Frühlingssonne wärmen unsere Rücken. Aber nicht lange. Je höher wir steigen, desto schlimmer wird das Wetter. Als wir den Gipfel erreichen, haben wir keine Aussicht. So sind die Berge: unberechenbar, und genau deshalb endlos faszinierend.
Die Abfahrt haben wir uns verdient
, schreit Lasse durch den heulenden Wind, ab auf die Bretter!
Die ganze Gruppe lacht, wir schliessen die Schnallen der Skischuhe, ziehen den Reissverschluss der Jacken hoch und steigen in die Skibindung.
Lasse fährt voraus. Während wir in einem Höllentempo durch den Frühlingspulver hinunterrasen, bricht die Wolkendecke noch einmal auf, wie als Belohnung, dass wir den Gipfel erreicht haben.
Auch wenn der Aufstieg lang und die Abfahrt kurz war: Es gibt keine bessere Art, die Berge zu erleben, als auf den Skiern, mit der richtigen Bekleidung.
Erschöpft, aber überglücklich erreichen wir Hjørundfjorden und besteigen die unverwüstliche Segelyacht Wyvern av Ålesund. Wir durchqueren den Fjord, als die Dämmerung den Himmel verdunkelt. Weit vorne erkennen wir die Flamme eines Feuers am Ufer des Fjords. Als wir näher kommen, sehen wir eine Ziege, die an einem Spiess über dem Feuer brutzelt. Jubelnd und voller Vorfreude steigen wir von Bord.
Während das Abendessen zubereitet wird, erholen wir uns von diesem langen Tag in den Bergen. Wir spielen Axtwerfen, erzählen Witze und trinken Bier. Vor wenigen Stunden standen wir auf dem Gipfel im Hintergrund. Er bietet die perfekte Kulisse für einen Moment der Besinnung, einen Moment, in dem wir das Ende eines perfekten Tages würdigen.